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Regenwald Report 01/2010

Tropenholz heizt das Klima an – Holzeinschlag im Regenwald setzt massiv Kohlendioxid frei

Seit Jahrzehnten versucht sich die Tropenholzindustrie mit Werbekampagnen und falschen Behauptungen zum Regenwaldschützer aufzuspielen. Ihr neuster Coup: „Verantwortlicher“ Holzeinschlag zum Schutz des Klimas. Die Abholzer wollen dazu sogar mit Geldern aus dem Klimaschutz finanziert werden.

Global WitnessGlobal Witness

Die ungeheure Artenvielfalt der tropischen Regenwälder ist ein Wunder der Natur. Auch Bäume bilden hier keine Ausnahme. Im Yasuní-Nationalpark in Ecuador haben Wissenschaftler auf einem einzigen Hektar (10.000 m2) sage und schreibe 664 verschiedene Baumarten bestimmt. Für die Tropenholzindustrie ist das allerdings kein Anlass zur Freude. Sie ist nur an einigen wenigen Edelhölzern interessiert, die sich leicht zu Geld machen lassen. Die begehrten Bäume stehen meist einzeln und verstreut im Regenwald. Umgeben werden sie von einem Meer von für die Firmen wertlosen Bäumen und Vegetation. „Selektiver Holzeinschlag“ heißt das Fällen einzelner ausgewählter Bäume im Fachjargon. Dahinter verbirgt sich allerdings kein wissenschaftliches Konzept, sondern lediglich die Wirtschaftsweise der Holzindustrie. Die ist ein reiner Extraktionsbetrieb – die behauptete nachhaltige Waldbewirtschaftung findet in der Praxis nicht statt, es wird lediglich abgeholzt.

Um an das Edelholz heranzukommen, müssen die Wälder erschlossen werden. Aus unberührter Wildnis werden Planquadrate. Mit schweren Maschinen wird ein Netzwerk von Holzfällerstraßen freigeschoben, werden Brücken gebaut, Lagerplätze, Sägewerke, Tanklager und Arbeitersiedlungen mitten im Dschungel errichtet. Allein im Kongobecken in Afrika bestehen nach Auswertung von Satellitenaufnahmen 51.916 Kilometer – das entspricht einer Erdumrundung am Äquator – solcher Holzfällerstraßen im Regenwald.

Von diesen bahnen sich die tonnenschweren Holzschlepper den Weg quer durch das Unterholz bis zu jedem im Wald gefällten Baum, um die Stämme über Hunderte von Metern zum nächsten Holzlagerplatz zu ziehen. Die kommerziell nicht nutzbaren Bäume stehen ihnen dabei buchstäblich im Weg. Für jeden gefällten Urwaldriesen werden 10 bis 20 weitere große Bäume beschädigt, und Hunderte kleine Bäume einfach plattgewalzt.

Massensterben im Urwald verursacht enorme CO2- Emissionen

Der am Ökosystem angerichtete Schaden ist enorm. Der empfindliche Urwaldboden wird verdichtet und zerpflügt. Die an Rinde und Wurzeln der Bäume angerichteten Verletzungen sind die Eingangspforten für Pilze und Holzinsekten. Über Jahre, auch lange nach dem Abrücken von Motorsägen und Bulldozern, macht sich ein unheimliches Massensterben im Regenwald breit. Große Lücken werden in das Kronendach gerissen. Der Wald trocknet aus und in Gebieten mit längerer Trockenzeit bedeutet das Feuergefahr. Verheerende Waldbrände drohen.

Die Stämme der Urwaldriesen speichern enorme Mengen Kohlenstoff.Die Stämme der Urwaldriesen spei-
chern enorme Mengen Kohlenstoff.

Dabei sind die Urwälder wichtige globale Kohlenstoffsenken. Die 350 Millionen Hektar Regenwälder speichern die gigantische Zahl von 70 Milliarden Tonnen Kohlenstoff; im Durchschnitt sind es etwa 200 t Kohlenstoff pro Hektar. Jährlich absorbieren sie fast 5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre. Welchen Einfluss der selektive Holzeinschlag auf den Kohlenstoffhaushalt und das Klima hat, untersucht eine Studie aus dem Dunstkreis der Tropenholzindustrie um den Wissenschaftler Francis Putz von der Universität Florida (http://tinyurl.com/yae47u7).

Die von den Holzfällern zerstörte Vegetation zersetzt sich schnell unter den feuchtheißen Bedingungen, mit fatalen Folgen. Die Hälfte der Biomasse, bis zu 120 t Kohlenstoff pro Hektar Wald, wird freigesetzt und entweicht als Treibhausgas CO2. Das ergibt 450 Tonnen CO2 pro Hektar, die nun die Atmosphäre und damit das Weltklima anheizen. Selektiver Einschlag, den die Holzindustrie gern als nachhaltig bezeichnet, gehört somit zu den größten Klima-Anheizern unserer Zeit: Pro Jahr lassen sich demnach 1,8 Milliarden Tonnen CO2 bzw. etwa 5 Prozent der weltweiten klimaschädlichen CO2-Emissionen direkt dem unheilvollen Wirken der Tropenholzindustrie in den Urwäldern der Erde zuschreiben. Das entspricht etwa dem doppelten CO2- Ausstoß Deutschlands!

Erst nach etwa 8 Jahren kontinuierlicher Kohlenstofffreisetzung beginnen die Regenwälder wieder, langsam diesen zu binden. Das ist ein sehr langwieriger Vorgang. Viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte vergehen, ehe die im Ökosystem gespeicherte Kohlenstoffmenge wieder die ursprünglichen Werte erreicht. Doch viele der von der Holzindustrie leer geräumten Regenwälder haben gar nicht die Chance dazu.

Holzfäller erklären sich zu Klimaschützern, verlangen Gelder aus Emissionshandel

Die zum Abtransport des Holzes gebauten Straßen sind perfekte Einfallstore für Wilderer, Siedler, Plantagenfirmen, Minengesellschaften und Spekulanten. Sie roden den Wald endgültig und setzen auch noch den restlichen Kohlenstoff frei. Die flächendeckende Abholzung ist daher insgesamt sogar für ein Fünftel der globalen klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen verantwortlich.

Trotz der alarmierenden Zahlen machen Francis Putz und seine acht Wissenschaftlerkollegen sich nicht etwa für einen Stopp des auch aus vielerlei weiteren Gründen sehr schädlichen industriellen Holzeinschlags im Urwald stark. Stattdessen befürworten sie „verbesserte Holzeinschlagspraktiken”. Mit Hilfe „guter Planung“ sollen die Schäden des kommerziellen Holzeinschlags im Urwald vermindert werden. Das versucht auch die Holzlobby schon seit Jahren weiszumachen. Gut ausgebildete und mit Landkarten ausgestattete Baggerfahrer würden weniger Regenwald plattwalzen, und dadurch weniger das Klima schädigen, so die simple Logik.

 

Links:Holzeinschlag im Regenwald setzt massiv und über viele Jahre Kohlenstoff frei, während die Bindung sehr langsam über Jahrzehnte bis Jahrhunderte verläuft (Quelle: Putz et al. 2008, mod.) Rechts:Die weltweite Urwaldzerstörung rangiert auf Platz 3 der größten Klimaeinheizer. Nicht enthalten: 10,7% aus verschiedenen kleineren Quellen. (Quelle: Betts et al. 2008, modifiziert)Links : Holzeinschlag im Regenwald setzt massiv und über viele Jahre Kohlenstoff frei,
während die Bindung sehr langsam über Jahrzehnte bis Jahrhunderte verläuft (Quelle:
Putz et al. 2008, mod.) Rechts:Die weltweite Urwaldzerstörung rangiert auf Platz 3 der
größten Klimaeinheizer. Nicht enthalten: 10,7% aus verschiedenen kleineren Quellen.
(Quelle: Betts et al. 2008, modifiziert)

Die Wissenschaftler rechnen vor, dass sich dabei bis zu einem Drittel der CO2-Emissionen einsparen ließen, und kommen zu einem ungeheuren Vorschlag: Der “Holzeinschlag mit reduzierter Auswirkung” sollte als Beitrag zum Klimaschutz angerechnet und über den Kohlenstoffhandel finanziert werden. Über die bereits existierenden CO2-Handelssysteme könnten so die zu Klimaschützern avancierten Holzfäller ihr Geschäft noch lukrativer betreiben.

Dabei wird bereits jetzt der Holzeinschlag im Regenwald mit öffentlichen Geldern finanziert. So steuerte das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft dem Züricher Holzkonzern tt-Timber mehrere Hunderttausend Franken für einen Managementplan in der Republik Kongo bei. Dort holzt das Tochterunternehmen Congolaise Industrielle des Bois (CIB) seit 1969 im Regenwald. Auch Deutschland förderte über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) die Firma mit 690.000 Euro Steuergeldern.

Neben CIB tummeln sich im Kongobecken etwa zwei Dutzend weiterer europäischer Holzkonzerne, darunter die deutsche Danzer Gruppe, aber auch Niederländer, Dänen, Italiener, Briten und Portugiesen. Allein den Schweizer Firmen CIB, Precious Woods, Interholco und Nordsüdtimber gehören dort Holzkonzessionen, deren Fläche größer ist als die Alpenrepublik selbst. Im Norden des Kongo, wo CIB 1,3 Millionen Hektar (das entspricht fast der Fläche von Schleswig-Holstein) beansprucht, ist Sapelli (Entandrophragma cylindricum) die wichtigste eingeschlagene Holzart und nimmt fast 80 Prozent der Produktion ein.

Sapelli, auch als afrikanischer Mahagoni bekannt, ist zugleich bestes Beispiel für die fehlende Nachhaltigkeit der Tropenholzindustrie. Nach jahrzehntelanger Rodung ist die Art „bedroht mit einem hohen Risiko des Aussterbens auf mittlere Sicht“ und hat den Weg auf die Rote Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) gefunden. Bereits 1994 wurden auf Antrag der Bundesregierung Sapelli und alle anderen afrikanischen Mahagoniarten als bedroht für die Eintragung im Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens vorgeschlagen, das den internationalen Handel mit bedrohten Arten reglementiert. Als Begründung wurde schon damals angeführt, dass die Arten „einem Niveau von Ausbeutung unterliegen, das unvereinbar mit ihrem Überleben sei“. Kein Problem für die Holzfäller. Der Antrag scheiterte damals – angefacht durch die Holzindustrie – am Widerstand der Republik Kongo.

Da auf den bereits genutzten Flächen 30 Jahre kein weiterer Holzeinschlag betrieben werden kann und die Naturverjüngung von Sapelli unzureichend ist, expandiert CIB – wie alle anderen Holzkonzessionäre auch – in immer neue zuvor unberührte Primärwaldgebiete. Dazu gehört aktuell die fast 400.000 Hektar große Loundoungou-Konzession.

Vom Urwald auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten

Zuletzt ist auch der Abtransport des Holzes ein klimaschädliches Geschäft. Vom CIB-Wald zu den Kunden geht es per Lkw über 1.250 km bis zum Hafen von Douala in Kamerun. Tausenden Kilometern Schiffstransport zu europäischen Häfen schließen sich wiederum Hunderte Kilometer auf europäischen Autobahnen und Landstraßen an, bis beispielsweise zum Händler Klöpferholz bei München. Der ist Lieferant der Stadt Nürnberg. Mehr zur Schädigung des Klimas durch Tropenholz: Studie von Global Witness auf Englisch, Französisch oder Spanisch im Internet.

NÜRNBERGS TROPENHOLZBÄNKE

Nürnbergs Tropenholzbank (Foto: SÖR) Sparen auf Kosten des Regenwalds
„Kein Witz: Stadt legt ihr Geld jetzt auf der Parkbank an”, lautete der Titel in der Nürnberger Abendzeitung im April 2009. Was wie ein Aprilscherz klang, entpuppte sich als handfester Skandal. Um die Stadtkasse zu schonen, sollten die 3.500 Parkbänke Nürnbergs mit afrikanischem Sapelliholz ausgestattet werden. 11,9 Mio. Euro ließen sich darüber in den nächsten 25 Jahren einsparen, rechnete die Stadt vor.
Die Protestaktion von Rettet den Regenwald Ende August 2009 stoppte das Vorhaben, bis heute. Über 18.000 Bürgerinnen und Bürger schrieben an den Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und den städtischen Servicebetrieb SÖR. Seitdem bröckelt es an der Front der Tropenholzbefürworter. Die lokalen Medien haben über die Aktion von Rettet den Regenwald wiederholt berichtet und die Stadtoberen weiter in Erklärungsnot gebracht. Woher das Holz konkret stammt, konnte oder wollte die Stadt nicht sagen. Stattdessen pocht man auf blindes Vertrauen auf das Holzsiegel des FSC (mehr zu FSC siehe „Die Label-Lüge“). Nach Recherchen von Rettet den Regenwald ist CIB in der Republik Kongo der Lieferant.

Es riecht faul in Nürnberg
Um den Tropenholzeinsatz zu rechtfertigen, bedienten sich die Verantwortlichen in Nürnberg allerlei Tricks und Behauptungen. So seien heimische Hölzer angeblich bereits nach einem Jahr verfault und müssten ersetzt werden. Das lässt nach dem Urteil von Klaus Schenck, Diplom-Holzwirt und Waldreferent von Rettet den Regenwald, auf grobe Fehler bei Holzauswahl und Einbau schließen. Andere Städte wie Berlin verwenden heimische Eiche, die sich auch nach vielen Jahren noch bester Gesundheit erfreut. Völlig absurd ist es, dass die Stadt dem Sapelli-Holz nach einem zwei Jahre dauernden Test eine 25-jährige Haltbarkeit bescheinigte. Über die natürliche Dauerhaftigkeit von Hölzern liegen Jahrhunderte alte Erfahrungen und technische Normen vor. Letztere stufen Robinienholz als sehr dauerhaft, Eiche als dauerhaft und Sapelli lediglich als mäßig dauerhaft ein. Um das auszuhebeln, rechnete die Stadt Eichenholz mit Höchstpreisen teuer.
Der Fall Nürnberg ist wichtig, denn es geht um mehr als nur 25 m3 Tropenholz pro Jahr. Die Stadt sägt an dem freiwilligen Tropenholzverzicht der meisten deutschen Städte. Der gilt seit gut zwanzig Jahren bei öffentlichen Bauvorhaben. Dieser hat dank der Werbeversprechen der Holzsiegel zunehmend Risse gezeigt.
Am 24.Februar tagt der Umweltausschuss der Stadt Nürnberg, um über das Holz zu entscheiden. Bitte teilen Sie der Stadt mit, dass Tropenholz KEINE Wahl ist.

Stadt Nürnberg
Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly
Rathausplatz 2, 90403 Nürnberg
E-Mail: obm@stadt.nuernberg.de
Tel.: 0911 - 2 31-50 01; Fax: -36 78

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